Rückwirkend per 1. Januar 2021 wird der Gemeinsame Tarif 12 (GT12) von der ESchK genehmigt. Damit herrscht vorübergehend bis zum 31. Dezember 2027 Rechtssicherheit für die Verrechnung von Urheberrechtsabgaben im Zusammenhang mit Replay-TV. Bis Mitte Juni 2021 läuft noch eine 30-tägige Rechtsmittelfrist gegen den ESchK-Beschluss. Es ist aber davon auszugehen, dass die SRG die Frist unbenützt ablaufen lassen wird, da die Vorhaltedauer auf 7 Tage reduziert wurde.

Kleinere TV-Anbieter werden es schwer haben, die  Branchenvereinbarung umzusetzen. Daher stimme ich der ESchK mit einem Augenzwinkern zu, dass die Branchenvereinigung diskriminierungsfrei für weitere TV-Verbreiter ist, zumindest hat es den Anschein. Die Realität ist aber, dass die Anforderungen für die Umsetzung der Branchenvereinbarung sehr hoch gesteckt sind und somit praktisch nicht umsetzbar für kleine TV-Anbieter ist.

TV Factory ist am 3. Februar 2021 der Branchenvereinbarung beigetreten. Nicht aus Überzeugung, sondern mehr aus Zwang. Die TV-Anbieter, die die Branchenvereinbarung nicht umsetzen können,  werden nämlich richtig zur Kasse gebeten. Neben der Gebühren für GT1 (TV und Radio) von CHF 2.18 exkl. MWST kommen für den GT 12 ohne Branchenvereinbarung (=TOP Tarif) CHF 7.00 exkl. MWST dazu. Dieser Betrag berechnet sich aus dem GT12 mit Branchenvereinbarung CHF 2.00  exkl. MWST zzgl. dem Zuschlag 2 von CHF 5.00 exkl. MWST.

Der Zuschlag 2 entspricht dem Fünffrankenstück zu schweizerdeutsch auch „Fünfliber“ genannt. Möchte der Endkunde den „Fünfliber“ einsparen, muss dieser die von der Branchenvereinbarung geforderte Zwangswerbung der Programmveranstalter schlucken. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass davon nur die Sender der RTL-Mediengruppe Deutschland, die ProSiebenSat.1 Digital und die CHMEDIA mit den 3plus Sendern, sowie einige Regionalsender betroffen sind. Die Branchenvereinbarung fordert das Einspielen von Replay-Ads, Fast-Forward-Ads und Pausen-Ads. Ich bin gespannt, wie am Ende das Kundenerlebnis einer solchen Lösung sein wird. Auch hier haben es wieder grosse Unternehmen wie eine Swisscom oder UPC/Sunrise bei der Umsetzung einfacher. Durch den Einsatz von ausgeklügelter Technologie können die Anforderungen zentral auf einem Server umgesetzt werden. Dabei wird erforderlich sein, dass zu jedem Client eine Session steht. Dann muss der zentrale Server die Einspielung der Werbeblöcke ausrechnen und ohne Unterbrüche in die Streams einfügen. Das ganze wird dann noch personalisiert, d.h. für jeden einzelnen Client muss der zentrale Server dann eine eigene Sequenz ausrechnen. TV-Anbieter mit weniger Technologie müssen die Branchenvereinbarung auf den Clients umsetzen und da haben sich die Programmveranstalter ausgedacht, dass die Antwortzeiten für das Ausspielen von Werbung nicht mehr als 100 Millisekunden betragen dürfen.

Persönlich gehe ich davon aus, dass nur etwa 50% der Endkunden diese Zwangswerbung über sich ergehen lassen werden und der Rest entweder den „Fünfliber“ zahlt, oder sich immer mehr Endkunden vom TV abwenden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der intelligente Schweizer das TV nur noch für Nachrichten und Sportevents verwendet und den Rest sich von APPs holt. Die ganze Branchenvereinbarung ist ein Experiment und die Schweiz ist das Testlabor. Die Branchenvereinbarung wird die schwindenden Werbeeinnahmen der Programmveranstalter nicht kompensieren und der Siegeszug von Youtube, Netflix etc. wird weiter voranschreiten. Da müssen Sich die Programmveranstalter RTL Mediengruppe Deutschland, ProSiebenSat.1 Digital und die CHMEDIA mit den 3Plus Sendern schon was Besseres einfallen lassen.

 

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